Nach dem Ruhetag ging es am Dienstag, den 30.11. weiter mit der 4. Partie der Schach-WM, Magnus Carlsen eröffnete diesmal mit 1. e4, und was antwortete sein russischer Herausforderer Ian Nepomniachtchi darauf? Na klar: Russisch, d.h. 1. …e5 Sf3 Sf6. Allerdings nicht aus Nationalstolz, Heimweh oder Spaß (dafür ist in einer solchen Partie kein Raum), sondern weil sich die russische Verteidigung in den WM-Duellen der vergangenen Jahrzehnten als sehr solide erwiesen hat und ein effektives Mittel gegen weiße Gewinnabsichten darstellt. Aber natürlich nur, wenn es von Schwarz sehr genau gespielt wird, für unerfahrene Spieler:innen daher weniger geeignet – das fängt schon damit an, dass Schwarz nach 3. Sxe5 nicht einfach selbst gleich mit 3… Sxe4 den weißen e-Bauern abholen darf (wegen dem folgenden De2), sondern erstmal mit 3. …d6 den weißen Springer zurückdrängen muss. Bei uns im Verein hat Rudi König oft Russisch gespielt, und dazu nebenbei auch gerne mal einen „Russn“ getrunken – das geht im Corona-Winter in Kirchseeon aber auch gerade nicht so gut. In Dubai waren die beiden um den WM-Thron kämpfenden Schachkönige wieder gut vorbereitet und spielten bekannte Varianten, erst im 18. Zug wartet Carlsen mit einer Neuerung auf: 18. Sh4!?, gefolgt von dem feinen Zug 19. g2-g4, um dann den Springer nach g2 zu überführen, und von dort nach Läuferabtausch auf f4 weiterzuziehen. Da sind bereits viele Figuren abgetauscht und eigentlich hat das Endspiel schon begonnen, doch in den folgenden 10 Zügen wurde es nun richtig spannend.
Wie schon in den ersten drei Partien waren es auch wieder vor allem die Springerzüge, welche den Charakter der Partie bestimmen. Carlsen preschte mit seinem Pferd bis nach f6 und e8 vor und bedrängte den schwarzen König. Nepo hatte jedoch einen Freibauern auf der a-Linie, den er marschieren ließ, zudem waren seine Türme lehrbuchmäßig hinter den eigenen und hinter den gegnerischen Bauern postiert, dadurch konnte er die Partie im Gleichgewicht halten, so dass sich Carlsen im 32. Zug entschloss, die Partie durch dreifache Stellungswiederholung ins Remis zu überführen, etwas Besseres war nicht in Sicht. Es war die bisher kürzeste Partie dieser Schach-WM, trotzdem aber nicht uninteressant und elegant anzuschauen. Russisches Roulette werden wir auch in den folgenden Spielen sicherlich nicht erleben, aber ein wenig mehr kalkuliertes Risiko könnte es beim aktuellen Stand von 2:2 schon sein, um den Gegner zu Fehlern zu provozieren. Leicht wird das nicht, weil beide bisher sehr konzentriert und stabil spielen. Welche Variante wird als nächstes zum Einsatz kommen? Uns ist alles recht – nur die „Omikron-Variante“ möge bitte draußen bleiben…