Nach der turbulenten 2. Partie ging es am dritten Tag der Schach-WM deutlich ruhiger und präziser zu.
Wie in der ersten Partie wurde wiederum Spanisch gespielt, und wiederum wählte Nepo eine Anti-Marshall-Variante: statt 8. h3 diesmal 8.a4. Das ist eine wohlbekannte Methode (stand schon in meinem ersten Eröffnungsbuch meiner Jugendzeit drin), um den oft gefürchteten Marshall-Angriff von Schwarz zu vermeiden, der nach der klassischen Hauptfortsetzung 8. c2-c3 d7-d5 entsteht. Dazu hat uns Thomas Beckers während des Lockdowns im Frühjahr 2021 beim Online-Training eine selbstgespielte schöne wilde Partie aus den 1980er-Jahren gezeigt, die zeigte, wie weit schon damals die Varianten analysiert waren, auch ohne leistungsstarke Computer. Den Link bzw. Bericht dazu liefere ich in den nächsten Tagen nach und füge ihn dann an dieser Stelle ein.
Sicherlich hat Nepo aber gegen Carlsens Marshall-Angriff schon eine Antwort und vielleicht auch eine Überraschung parat, aber wahrscheinlich will er zu diesem Zeitpunkt im Wettkampf noch nicht volles Risiko gehen.
Carlsen wählt danach mit 10…Te8 seinerseits wieder eine etwas seltenere Fortsetzung, um nicht in die vom Gegner am gründlichsten vorbereiteten Varianten zu laufen und möglichst nicht der erste zu sein, der wegen unerwarteter Züge des Gegners viel nachdenken muss. Beide spielen die Partie ziemlich genau, finden jeweils die besten Züge, laut einer Lichess-Statistik war es sogar wohl die korrekteste WM-Partie aller Zeiten, was aber natürlich nur eine statistische Momentaufnahme ist und keinem Spieler viel hilft, denn am Schluss endete die Partie nach Abtausch aller Schwerfiguren in einem Läuferendspiel Remis. Übrigens darf bei diesem Turnier erst ab dem 30. Zug ein Remis von den Spielern angeboten bzw. vereinbart werden, das wurde eingeführt, um frühe taktische Unentschieden zu vermeiden. Aber wenn beide Spieler es wirklich wollten, könnten sie auch vorher durch dreifache Stellungswiederholung das Remis herbeiführen.