2. WM-Partie Carlsen – Nepo: Katalanische Kraken

Am Samstag den 27.11. endete die zweite WM- Partie Carlsen gegen Nepomniachtchi wieder Remis –
aber nach was für einen Kampf! Die Stellung war derart komplex und dynamisch, dass auch der coole Video-Analytiker GM Niclas Huschenbeth kaum mit den Varianten hinterherkam, viele der spannende Möglichkeiten nur kurz andeuten konnte und begeistert von „Wahnsinn“ sprach.
Was war da los? Fußballfan Magnus Carlsen liebt offensichtlich die spanische „La Liga“, so spielte er nach der spanischen Eröffnung in der ersten Partie diesmal mit Weiß Katalanisch (1.d4 Sf6 2.c4 e6 3. Sf3 d5 4. g3) .. nein, Spaß beiseite, sicher nicht weil er Barcelona mag, sondern wohl eher, um dem von Schwarz mit 2..e6 vorbereiteten Nimzo-Indisch (3..Lb4) auszuweichen. Das war bei mir auch mal der Grund, mich dem Katalanen zuzuwenden, und weil dort dann der Läufer nach g2 geht, hat Weiß schönen Druck auf der Diagonalen mit Drohungen gegen den schwarzen Turm a8, falls Schwarz seinen b-Bauern zieht. Genau das tat Nepo mit Schwarz schon im 7. Zug, ist allerdings alles noch bekannte Theorie. Carlsen antwortet mit 8. Se5, was angeblich bisher eine seltene Nebenvariante ist, aber ich hätte die mit Weiß auch sofort gespielt – zumal wir kürzlich beim Traning mit Thomas Beckers eine ganz ähnliche Stellung am Demobrett hatten, als typisches Beispiel für Katalanisch. In den folgenden Zügen ziehen nun die Springer beider Seiten tief ins gegnerische Lage hinein auf die 3. bzw. 6. Reihe, wo sie als jeweils von ihren Bauern gedeckter Stützpunkt zu „Monsterkraken“ ( GM Karsten Müller) werden, die fast alle Figuren gleichzeitig bedrohen. 
Und in dieser komplizierten Stellung begehen beide Spieler nacheinander mehrere Ungenauigkeiten, wie die Computer-Engines gnadenlos aufdecken. Es sind halt auch nur Menschen, und wir Amateure müssen uns danach etwas weniger ärgern, wenn wir in solche Stellungen daneben hauen.
Wobei aber das scheinbare Opfer des Turms gegen den Monsterspringer erst von Carlsen, später dann auch von Nepo an sich gar nicht falsch ist, denn in dieser Position ist das zur Krake mutierte Pferd sogar mehr wert als ein Turm, weil es das ganze gegnerische Schiff in den Abgrund reißen kann, wie bei „Fluch der Karibik“. Am Schluss hatte Nepo dann zwar in einem klassischen Turmendspiel einen Bauern weniger, doch diesen Vorteil kann Carlsen nicht verwerten, weil sich seine 3 gegen 2 Bauern direkt gegenüber stehen. Laut Lehrbuch eigentlich eine klassische Remisstellung, aber der Weltmeister versucht es dennoch ein paar Züge lang, bis er das Unentschieden akzeptiert, weil der Gegner keinen Fehler mehr macht.

Das war eine Partie die sicher noch länger weiter analysiert wird – von der Eröffnung bis ins Endspiel!