Exkurs zur Najdorf-Variante (siehe Partie Unzicker – Fischer)

Eine der am meisten gespielten Eröffnungen in der Sizilianischen Verteidigung wurde benannt nach dem polnisch-argentinischen Großmeister Miguel Najdorf, der zwar nicht als Erfinder diese Variante gelten kann, sie jedoch erfolgreich in die Turnierpraxis einführte.
Erstmals spielte er die heute als Najdorf-Variante in der Literatur bekannte Zugfolge 1.e4 c5 2. Sf3 d6 3. d4 cxd 4. Sxd4 Sf6 5. Sc3 a6 bei der Schacholympiade 1939, die vom 24 8. bis 19.9.1939 in Buenos Aires, Argentinien stattfand.
Doch während dort im fernen Südamerika spannende, aber faire sportliche Wettkämpfe zwischen den 19 teilnehmenden Nationalmannschaften ausgetragen wurden, begann das Deutsche Reich mit dem Angriff von Hitlers Wehrmacht auf Polen am 1. September 1939 den 2. Weltkrieg – und die systematischen Deportation und Ermordung der Juden in Europa.
Viele Spieler wollten angesichts des deutschen Überfalls auf Polen zunächst nicht mehr weiterspielen, die britische Delegation nahm an der Endrunde nicht mehr teil und reiste vorzeitig ab. Den Organisatoren gelang es jedoch, die übrigen Teams zum Weitermachen zu überreden, wobei allerdings mehrere Spiele nicht ausgetragen wurden, so wurden u.a. die Wettkämpfe der deutschen Mannschaft gegen Polen und Palästina kampflos mit 2:2 gewertet. In der Abschlusstabelle belegte Deutschland knapp vor Polen den ersten Platz, doch dass muss unter diesen Umständen als nebensächlich betrachtet werden. Bedeutsamer für die Schachgeschichte war die Tatsache, dass der argentinische Staat den Teilnehmern der Schacholympiade sowie den Teilnehmerinnen der parallel in Buenos Aires veranstalteten Frauenweltmeisterschaft anbot, nach Ende der Wettkämpfe dauerhaft im Land zu bleiben und das Schachspiel in Argentinien voran zu bringen. 
Viele nahmen dieses Angebot an, so auch Najdorf, dem als polnischer Jude (ebenso wie seinen Teamkollegen Tartakower und Frydman) die Rückkehr in die Heimat nicht mehr möglich war. Weiterhin blieben auch die komplette deutsche Männermannschaft sowie die Vizeweltmeisterin Sonja Graf (die ebenso wie die bei der Frauen-WM viertplazierte Friedl Rinder aus Bayern stammte und viele Jahre in München lebte) in Argentinien. 
In den 40er-Jahren stellte Najdorf mehrfach einen Weltrekord im Blindsimultanschach auf, wobei er gleichzeitig gegen bis zu 45 Gegner blind, d.h. ohne Ansicht des Bretts spielte.
Wie er später erzählte, hatte er diese Veranstaltungen auch deshalb gemacht, damit seine Verwandten und Freunde in Polen ggf. durch Presseberichterstattung über dieses Ereignis erfuhren, dass er noch lebte, und Kontakt mit ihm aufnehmen würden. Doch letztere Hoffnung erfüllte sich nicht – seine gesamte Familie, Frau, Kind, Geschwister, Eltern starben in den Vernichtungslagern der Nazis.  Najdorf nahm 1944 die argentinische Staatsbürgerschaft an, und aus seinem polnischen Vornamen Mieczyslaw wurde der spanische „Miguel“. Er überlebte dank des Schachs den Holocaust, und er lebte weiter und spielte weiter, und zwar über viele Jahre sehr stark.
Neben zahllosen Turniersiegen gewann er auch Partien gegen mehrere Weltmeister, sogar gegen Bobby Fischer.
Weiterhin war Miguel Najdorf „nebenbei“ auch als Unternehmer unter anderem im Ölgeschäft erfolgreich und galt dadurch zeitweise als reichster Schachprofi der Welt. Er starb 1997 im Alter von 87 Jahren.

Durch die Najdorf-Variante ist sein Name unsterblich geworden – denn diese Eröffnung ist bis heute eine der am häufigsten gespielten Eröffnungen, und außerdem sehr dynamisch und spannend. Indem sie dadurch beiträgt, das Leben des Menschen Miguel Najdorf und seine Geschichte in Erinnerung zu behalten, erfüllt sie einen wichtigen Zweck, der über über das Schachbrett weit hinausreicht.
Von Najdorf gibt es zudem eine wunderschöne Kurzpartie, die unter dem von seinem polnischen Mannschaftskollegen Tartakower eingeführten Namen „Die Polnische Unsterbliche“ bekannt geworden ist. Nachdem der Name „Die unsterbliche Partie“ als solcher ja bereits für die Partie Anderssen – Kieseritzki von 1851 vergeben war und somit „unsterblich“ als kennzeichnendes Attribut alleine nicht genug war, ehrte man mit dieser Partie zugleich auch noch Najdorfs Heimatland Polen –  auch das ein sehr gelungener Zug. 
Es handelt sich um die bereits 1930 in Warschau gespielte Partie Glucksberg –Najdorf, bei der Schwarz alle vier Leichtfiguren opfert, um mattzusetzen. Vielleicht werden wir sie bei Gelegenheit auch mal beim Training mit Thomas Beckers besprechen !

  1. d4 f5 (die Holländische Verteidigung) 2.c4 Sf6 3. Sc3 e6 4. Sf3 d5 5. e3 c6 6. Ld3 Ld6 7. 0–0 0–0 8. Se2 Sbd7 9. Sg5 Lxh2+ 10. Kh1 Sg4 11. f4 De8 12. g3 Dh5 13. Kg2 Lg1 14. Sxg1 Dh2+ 15. Kf3 e5 16. dxe5 Sgxe5+ 17. fxe5 Sxe5+ 18. Kf4 Sg6+ 19. Kf3 f4 20. exf4 Lg4+ 21. Kxg4 Se5+ 22. fxe5 h5 matt