Nachlese zum Jugendtraining im Oktober

Zu seinem letzten Schachunterricht im Café Zam am 20. Oktober 2020 hatte Thomas Beckers reichlich Material mitgebracht und verteilt, welches ich hier zum Download bereitstelle.

Zunächst haben wir einige Schachtaktik-Aufgaben gemeinsam gelöst, wobei wie üblich Emil meistens am schnellsten den entscheidenden Lösungszug fand. Hier ging vor um Ablenkung und Überlastung von gegnerischen Figuren, die dann am Schluss ihren Verteidigungsposten aufgeben müssen, weil sie durch Ablenkungsopfer zum Wegziehen gezwungen werden oder mit der Verteidigung von zwei oder mehr schwachen Feldern bzw. eigenen Figuren überfordert sind. So opferte sich in der ersten Aufgabe z.B. ein Springer, um dem eigenen Bauern den Weg zur Damenumwandlung freizumachen. Die dritte Aufgabe war dabei ein historisches Drama: Großmeister Dr. Robert Hübner – damals schon unter den Top 20 der Besten der Welt – übersah 1972 den Gewinnzug, den wir nach kurzer Diskussion fanden. Bei der zweiten und dritten Aufgabe spielte jeweils das Läuferpaar eine herausragende Rolle: zusammen kontrollieren beide Läufer sämtliche schwarzen und weißen Felder auf den großen Diagonalen und setzen den gegnerischen König mit der Eleganz und Leichtigkeit eines Walzer-Tanzpaars in der Ecke matt.


Im zweiten Teil des Trainings zeigte Thomas uns dann wieder eine Partie, bei der Schwarz auf das Damengambit 1. d4 d5 2. c4 mit der Marshall-Verteidigung 2…Sf6 erwidert, ein bei Amateuren häufig verwendeter Zug, der von Meistern jedoch selten gespielt wird, worüber wir schon beim vorletzten Training am 06.10.2020 diskutiert hatten. Auf Christians Anregung hin hatte Thomas nun jedoch in seiner Datenbank eine Großmeister-Partie aus Russland mit einer interessante Gambit-Variante für Schwarz gefunden: 3. cxd c6 !? und nach 4. dxc Sxc6 5. Sf4 e5 ! Hier hat Schwarz zwar dauerhaft einen ganzen Bauern weniger, bekommt aber in der Eröffnung aktives Gegenspiel und erreicht nach frühem Damentausch mit Hilfe des Läuferpaars Ausgleich. In der gezeigten Partie sicherte sich Schwarz dann nach Abtausch von Leichtfiguren und Türmen am Schluss das Remis in einem Endspiel mit ungleichfarbigem Läufern, in welchem Weiß seinen Mehrbauern nicht mehr verwerten kann. Ungleichfarbige Läufer bedeuten zwar nicht zwingend immer Remis, weil natürlich auch noch andere Figuren, König und Bauern mitspielen, und man immer aufpassen muss. Aber weil diese ungleichen Läufer auf verschiedenen Feldern ziehen, können sie sich nie gegenseitig angreifen und abtauschen. Hat nun eine Seite (hier z.B. Weiß) einen Bauern mehr, wird bei genauem Spiel und Abtausch gleichen Materials am Schluss nur dieser einzige Bauer neben den ungleichen Läufern sowie den Königen übrig bleiben. Der verteidigende Läufer muss dann lediglich eines der Felder vor dem Freibauern kontrollieren und sich dort ggf. für den Bauern opfern, um ihn am Vorrücken zu hindern, dann ist Remis – denn mit König und Läufer allein kann kein Matt erzwungen werden, Bei gleichfarbigen Läufern hingegen kann der verteidigende Läufer vom gegnerischen Läufer mithilfe des Königs ggf. abgedrängt werden, hier ist die Verteidigung viel schwerer.
Die Kenntnis solcher Motive ist wichtig, um im Mittelspiel einen guten Plan zu finden und zur richtigen Zeit die richtigen Figuren abzutauschen.